Hätte ich mal lieber einen der letzten Tag zum Erstellen dieses Blogeintrags Mail genutzt, ich hätte schreiben können: strahlender Sonnenschein, blauer Himmel – und trotzdem immer wieder kalt! Das beeindruckt die viele Engländer weniger in ihrer Kleiderauswahl (T-Shirt, kurze Hose… und das gestern morgen bei 8 Grad!). Heute ist es allerdings wieder bewölkt und gestern kam der Regen auch zur Decke herein (Dach ist wohl etwas undicht, ich war nachts vom Tropfgeräusch aufgewacht). Wenn kommenden Montag die Priory von außen gestrichen wird, schaut sich der Handwerker das Dach nochmal an – es ist wohl nicht das erste Mal!
Doch zum eigentlichen Sinn dieses Blogeintrages: mein Fahrrad und alle Möglichkeiten die sich mir dadurch eröffnen. Ich habe mir hier nämlich für die 3 Monate eine Fahrrad gemietet, in der Hoffnung dadurch etwaigen Ärger mit gebrauchten Rädern umgehen zu können (und weil es einfach so schön einfach war) – für 88 Pfund finde ich kann man sich da auch nicht beschweren (mein einer Bürokollege fand es viel zu viel… wat solls). So hatte ich zumindest gleich zu Anfang die Möglichkeit mein Fahrrad bereits am 2. Tag wieder umzutauschen und in den Folgetagen dank deutscher theoretischer Hilfe dort auch mein Fahrrad passend auf mich einstellen konnte (leider hatten die im Workshop nur bedingt Ahnung, dafür aber alles nötige Werkzeug zur Verfügung). Jedenfalls genieße ich es seither regelrecht, morgens gemütlich bergab zur Uni zu sausen und nunja, das ganze am Tagesende wieder hochzustrampeln. Mein Prof hier war schon sehr verwundert, dass ich den Headington Hill nicht hochschiebe, pah! Als Vergleichsmöglichkeit für Reichenbach-Kenner: in etwa zweimal die Merkurstraße hoch und dann noch einmal kurz die St. Barbara Straße 😉
Also auf gehts, wir starten an der Priory, an der es hinten im Hof einen Fahrradschuppen gibt, der einigermaßen wetterfest und hoffentlich Diebstahl-sicher ist. Anscheinend ist da Oxford an sich bereits ein heißes Pflaster und ein gestohlenes Fahrrad innerhalb von 6 Monaten reicht mir eigentlich!
Das ist also das gute Fahrrad, das mich bisher erst einmal im Stich gelassen hat, als ich die Kurve zu eng genommen habe an einer meiner Lieblingsbaustellen und das Hinterrad am Kies weggerutscht ist – nunja, zwei blaue Flecken mehr…
Man stelle fest: das Fahrrad hat keinen Ständer, was tatsächlich für die meisten Fahrräder in Oxford so gilt. Laut Aussage des Verleihers würden die eh immer nur kaputt gehen, weil wenn alle Leute ihr Fahrrad aufm Ständer abstellen und dann eines umkippt, kippen alle um und alle Ständer gehen kaputt! Warum dass dann in Karlsruhe ganz gut klappt und hier nicht, who knows. Allerdings bietet Oxford an sich auch extrem viele Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, weshalb das kaum ein Problem ist.
Zweitens: ich habe einen Fahrradkorb! Ich glaub das hatte ich noch nie – aber ganz praktisch, zumindest um die Fahrradkette darin abzulegen, die mich dann als fahrendes Schlossgespenst outet und mir dafür das klingeln erspart. Außerdem funktioniert der Korb auch zusammen mit der Fahrradtasche, die mir freundlicherweise diese Woche aus Deutschland mitgebracht wurde. Achja, los gehts!
Die Strecke vom Hinweg zur Uni unterscheidet sich etwas von der vom Rückweg. Da es hinzus für den ersten Teil nur bergab geht, muss ich nicht den kürzesten Weg nehmen, sondern nehme einen schöneren Weg, vorbei an der alten Kirche, entlang der schmalen Straße mit rechts und links Mäuerchen, fahre Slalom um die nicht kleinen Schlaglöcher und genieße die überdimensionierten Speed-Bumps (vielleicht sollte ich mich hier mal mit Kunstspringen versuchen). Schönes Detail: die Straße ist teilweise so eng, dass eigentlich keine zwei Autos aneinander vorbeipassen. Letzte Woche haben es zwei trotzdem versucht. Die Mauern links und rechts blieben unbehelligt, die Autos schrammten längsseits allerdings aneinander und blieben so erstmal stehen um sich anzuschreien. Sehr zur Freude aller Autos, die dahinter standen! Und zu meiner Schadenfreude muss ich gestehen – ab auf den Bürgersteig und alle Autos hinter mir lassend 🙂
Dann durch Wohngebiet und über ein paar größere Straße (dabei doppelstöckigen roten, grünen und blauen Bussen ausweichen) und ab über Schleichwege hinaus aufs Feld. Dort ist es dann mit schleichen vorbei, denn gleich zu Anfang darf man über ein Cattle Grid \*rumms-rüttel-krach-schepper\* und zwischen den Mooren hindurch zu den Brücken um den Cherwell zu überqueren.
Schließlich noch ein Hauch University Parks und dann in Oxford wieder auf die großen Straßen, vorbei an mal wieder beeindruckenden Gebäuden. Seit kurzem kenn ich auch hier einen neuen Schleichweg, es lohnt sich doch immer mal wieder was neues auszuprobieren und einfach mal anderen Fahrradfahrern hinterherzufahren! Schließlich von der Banbury Road bei Tor 7 abbiegen, wo der freundliche Mensch mit dem Bauhelm steht, denn die Einfahrt ist eine Baustelleneinfahrt und der gute Mensch weist die Baustellenfahrzeuge ein und schaut dass niemand dazwischen springt. Dafür steht er ganztags (!) an der gleichen Stelle. Aber sehr freundlich, trotz Fahrradverbotsschilder dürfen alle Fahrradfahrer den Fußgängerweg befahren (anstelle schieben zu müssen). Schließlich fährt man direkt auf das Radcliffe Observatory zu (das beeindruckende Gebäude ganz rechts), um dann dahinter zum doch eher hässlichen und alten (nicht ehrwürdig alt, sondern …) Gibson Building zu fahren. Und direkt neben dem Nebeneingang ist dann bei dem „Don’t tap on the window, don’t disturb the animals“ Schild mein Büro! 19min ergab bislang meine einzige durchgeführte Messung (von den anderen Messungen hab ich leider immer nur die Startzeit notiert \*g\*).
Wir stellen uns einen harten Arbeitstag im Büro vor, freuen uns auf ein gutes Abendessen und treten den Nachhauseweg an:
Wir fahren wieder entlang der Baustelle, auf der übrigens das neue Mathegebäude entsteht (soll im Juli bezugsfertig sein – leider zu spät für mich) und raus auf die Straße. Das erste Stück etwas anders als auf dem Herweg, Einbahnstraßen bedingt. Dann kommt wieder der schöne Teil: entlang des University Parks und über die Felder. Auch wieder das Wehr vom Cherwerll, dann die Brücke, manchmal mit einer Ehrengarde besetzt und wieder über das Cattle Grid (es gibt zwei, damit niemand beim Fahrrad fahren einschläft) in Richtung Moor.
Dann über die Schleichwege hin zum ersten steileren Berg. Lieber kürzer und steiler als ewig langgezogen! Hoch vorbei am John-Radcliffe Hospital und ab zu einem meiner Lieblingsstücke des Weges: dieser Schleichweg kürzt nicht viel ab aber ist einfach schön. Zwischen den Häusern durch eine enge Gasse, links und rechts nur Mauern, irgendwie herrlich: The Croft!
Und damit auch schon wieder Endstation und zurück an der Priory. 26min ist die bisher einzige gemessene Zeit 🙂
Noch ein Abschlussschmankerl: als ich letztes in Oxford durch die recht leeren abendlichen Straßen fuhr und rechts abbiegen wollte, hab ich nach Handzeichen geben noch schnell einen Schulterblick getan, damit mich kein Auto fälschlicherweise mitnimmt und war verblüfft: eins dieser klassischen englischen Taxis hinter mir. Irgendwie total unerwartet! Ich kenne die Taxis zwar schon aus London und inzwischen seh ich die auch fast täglich in Oxford, aber irgendwie war ich in dem Moment gedanklich in Deutschland und da passte ein englisches Taxi einfach nicht ins Konzept!
Ei der Daus, der Regen geht wieder los. \*Blick-zur-Decke\* Noch alles dicht! Noch!